Zeig uns deine Flosse, Genosse!- Buckelwale vor Samana -


Die treuesten Gäste der Dominikanischen Republik sind die Buckelwale. Jedes Jahr pünktlich zur Paarungszeit schwimmen sie aus ihrer arktischen Heimat bis in das karibische Gewässer, um sich dort fortzupflanzen und ihren Nachwuchs zu gebären. Ganz zur Freude der Waltouristen.

„Wal auf 2 Uhr“, brüllt der Skipper und ein Ruck geht durch das kleine Boot, als er das schaukelnde Schiff abrupt abdreht. Der Motor heult auf, eine Salzwasserdusche ergießt sich über die Passagiere auf den vorderen Plätzen und wir alle starren gebannt auf das endlose blaue Nass vor uns. Wums! Wir schlagen hart auf. Und nochmal. Einige schreien. Kapitän Domingo lacht.

Mit aller Mühe versuche ich, zwischen den hohen Wellen wenigstens eine Flosse zu erkennen. Doch keine Chance, die Wellen sind zu hoch, die See an diesem Tag rau. Von oben brennt die Sonne herab. Für die Postkartenidylle hinter uns, die Insel „cayo levantado“ mit ihrem weißen Sandstrand und den Kokospalmen, haben wir in diesem Moment keine Augen.

Und dann plötzlich: War da was? Tatsächlich! Nur wenige Meter vom Boot entfernt zieht ein gewaltiger Schatten unter der Wasseroberfläche entlang, der Motor läuft jetzt im Leerlauf und würden nicht die Wellen weiter ans Bug klatschen – es wäre mucksmäuschenstill.

Und dann ist er endlich da, schiebt sich elegant wie es für einen so gewaltigen Koloss nur eben möglich ist, in die Höhe. Ein Raunen geht durch die Schiffsmannschaft, die jetzt gebannt auf das unwirklich erscheinende Wesen auf dem Wasser starrt.

Der Wal, seinerseits ganz unbeeindruckt von all der Aufmerksamkeit, gleitet direkt wieder in die Tiefe. Zurück bleibt anmutige Stille. Voller Erwartungen blicken wir weiter auf das unruhige Gewässer vor uns, doch alles, was wir sehen, sind viele, viele Wellen.

Die meisten Buckelwale stammen aus der DomRep

Wenn Buckelwale eine Staatsbürgerschaft hätten, dann wären die meisten von ihnen Dominikaner. Jedes Jahr kehren tausende der arktischen Kälte ihrer Heimat den Rücken und begeben sich auf eine lange Reise durch den Nordatlantik, um sich schließlich im warmen karibischen Gewässer vor der Küste der dominikanischen Republik fortzupflanzen und ihren Nachwuchs zu gebären.

Dass ausgerechnet das Wasser in der geschützten Bucht vor der Halbinsel Samana die besten Voraussetzungen dafür bietet, wissen wir von Josef „Easy Rider“ Peuker, dem Urgestein der dominikanischen Tourismusbranche und Inhaber von funtours Cabarete. „Kein Schmarrn, die Tour müsst ihr gemacht haben“, sagt er in breitem bayerischen Dialekt und zeigt uns zum Beweis ein Video, das einer der Tourteilnehmer vor wenigen Tagen vor Ort gedreht hat und auf dem sich ein Wal rücklings in die Fluten wirft. Wir sind sofort überzeugt.

Zurück auf dem Boot. Domingo gibt wieder Gas. Das Boot schaukelt, wir warten. Zwölf bis 20 Meter sei das Wasser hier tief, dazu warm und somit ideal für die Geburt und das notwendige rasche Wachstum der zunächst noch kälteempfindlichen Wal-Babys, erzählt uns unser Skipper und Guide. Und, dass der Nachwuchs schon bei der Geburt unglaubliche 1000 Kilogramm auf die Waage bringe und bis zu vier Meter lang sei.

Domingo fährt weiter, die Zeit vergeht. Sieben Minuten bleibt ein Buckelwal durchschnittlich unter Wasser, bevor er wieder auftaucht, um Luft zu holen, erfahren wir. Bloß: Er kann auch länger. 20 Minuten, wenn er einen faulen Tag hat und keine Luftsprünge macht. Wir warten weiter.

Die Dominikanische Republik weiß um den Schatz, den sie dem alljährlichen Besuch der Buckelwale zu verdanken hat. Längst schon ist das Naturschauspiel für Samana zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor geworden. Während 1987 gerade einmal 1000 Touristen zum Whale Watching kamen, liegt die Zahl heute – 30 Jahre später – bei 55 000 Besuchern pro Jahr.

Richtlinien sollen die Buckelwale schützen

Und damit die Wale durch die Beobachtungsboote nicht noch mehr gestört werden, hat das Land Gesetze und Richtlinien erlassen, die die Tiere schützen sollen. Kleine Boote, die vor Jahren mit waghalsigen Manövern ganz nah an die riesigen Meeressäuger heranfuhren, gibt es heute nicht mehr, auch weil eine lokale Organisation vor Ort dafür sorgt, dass nur noch geeignete Boote und geschulte Skipper hinausfahren, die unter anderem einen Mindestabstand zu den Tieren halten

Und dann haben wir doch noch einmal Glück und ganz plötzlich schießt ein weiteres Tier in die Höhe. „11 Uhr“ schreit der Skipper noch schnell und wieder kreischen einige Gäste euphorisch. Ein älterer Herr springt vor lauter Begeisterung sogar auf, kommt ins Strudeln und wird sogleich vom Kapitän zurückgepfiffen: „Sitzen bleiben habe ich gesagt.“ Die Kraft der Wellen gestattet keine Zeit für Höflichkeiten. Schnell zücken wir unsere Kameras, doch … zu spät. Schon ist der Koloss wieder abgetaucht und verschwindet in den Weiten des Meeres.

Zurück bleiben wir auf unserem plötzlich ganz winzig erscheinenden Boot mit der Hoffnung, dass der Meeressäuger uns schon bald wieder seine imposante Schönheit und Anmut Preis geben möge. Doch wo wird das sein? Rechts, links oder auf 12 Uhr?

Wissenswertes

Der Preis für einen Tagestrip mit Waltour und Ausflug auf die Bacardi-Insel „Isla cayo levantado“ liegt bei 95 US-Dollar und kann unter www.easyrider-cabarete.com/funtours gebucht werden.

Dieser Artikel ist in leicht veränderter Form auf den Portalen von 1und1 (web.degmx.netgmx.at und gmx.ch) erschienen.