Eine Kuh weist uns den Weg!- Der Camino Primitivo Etappe 6 – Berducedo nach Grandas de Salime -


Es sollte ein entspannter Tag werden, doch Regen, Kälte und leere Supermärkte machen uns einen Strich durch die Rechnung. Stefans Wanderstock zerbricht. Wieder eine nicht beheizte Herberge. Und dann steht plötzlich noch eine Kuh vor uns.


Im Casa Marqués schlafe ich wie ein Baby. Nach der Hospitales-Route ist das aber auch kein Wunder. Eigentlich sollte heute ein entspannter Tag werden. Nur 22 Kilometer und nun mit – Achtung Ironie – extrem trainierten Sportlerbeinen, hatte ich absolut keine Bedenken. Aber es sollte kein guter Tag werden.

Wir beginnen mit einem Pilgerfrühstück bestehend aus Kaffee, getoastetem Brot und Marmelade. Das Tolle am Pilgerdasein sind die zahlreichen Vergünstigungen, die man in Bars, Restaurants und den Herbergen bekommt. Beim Frühstück treffen wir auch die Franzosen wieder. Es regnet ein wenig draußen, aber wir verzichten auf die Ponchos, wann immer es geht.

Nach einem kurzen Aufstieg schenkt uns der Camino eine lange ebene Strecke entlang einer Straße. Wir machen bereits nach einer Stunde eine Pause, da wir einige Pilger im Rücken haben und uns nicht hetzen lassen wollen. Einer nach dem anderen überholt uns, bis nur noch wir übrig sind. Wir laufen weiter und es folgt ein extremer Aufstieg, auf dem es nur langsam Meter für Meter vorangeht. Es fängt wieder an zu regnen und ich merke, wie auch meine Laune langsam schlechter wird. Es geht einige Male hoch und wieder runter, trotz Regen bekommen wir eine wunderschöne Aussicht über die Landschaft.

An einer Abzweigung steht plötzlich eine Kuh vor uns, mitten auf dem Weg. Sie knabbert gemütlich an ein bisschen Gras und es scheint sie überhaupt nicht zu interessieren, dass wir geradewegs auf sie zulaufen. Keiner weiß, wo sie herkommt. Hinter ihr entdecke ich plötzlich das Muschel-Schild. Es wirkt fast so, als würde die Kuh uns den Weg weisen wollen.

Der Weg schlängelt sich weiter und weiter gefährlich nah am Waldabhang entlang. Unten angekommen, sehen wir einen gewaltigen Staudamm mit einer Aussichtsplattform davor. Da es immer noch regnet, beschließen wir, hier kurz Pause zu machen. Auf der Plattform ist es allerdings so windig, dass alles, was nicht festgehalten wird, direkt weggepustet wird. Zu allem Überfluss fällt der Stock von Stefan hin und bricht in zwei Teile. Das war’s dann wohl mit unserem hölzernen Begleiter.

Wir gehen nach ein paar Minuten weiter über den Staudamm und danach immer weiter bergauf. Inzwischen sind wir beide total genervt, weil die Strecke unendlich lang scheint und sich wie Kaugummi hinzieht. Laut Buch sind es „nur“ noch zwei Kilometer, die sich aber anfühlen wie zehn.

Endlich kommen wir in unserem Zielort Grandas de Salime an und überlegen, in welche Herberge wir gehen sollen. Da die ersten bereits mit Pilgern voll sind, beschließen wir, diesmal ausnahmsweise zur staatlichen zu gehen. Ein fataler Fehler. Leider ist diese extrem kalt und ungemütlich. Es gibt weder Heizung noch Kochutensilien, dafür quietschende Betten und alte Sofas. Immerhin dicke Decken gibt es. Wir gehen in den Supermarkt nebenan, in dem nur noch Reste übrig sind. Da wir später ankommen als die anderen, ist das meiste bereits leer gekauft. Einen anderen Laden gibt es nicht, also bleiben für uns nur Dosenfutter und Wasser übrig.

Die Stimmung ist am Tiefpunkt, vermutlich auch durch die Erschöpfung des vorigen Tags. Eigentlich wäre spätestens heute ein Ruhetag nötig gewesen, doch das ist zeitlich leider nicht drin. Und wenn ich ganz ehrlich bin, hätte mein Ehrgeiz das auch nicht zugelassen.

Wir beschließen deshalb, uns ein bisschen im Dorf umzusehen und da wir in unserer Herberge nicht kochen können, bleibt uns nur das Pilgermenü. Inzwischen sind wir ja schon etwas abgehärtet, was kann schon groß passieren. Dieses Mal jedoch werden wir angenehm überrascht. Ein Italiener begrüßt uns herzlich im Restaurant und führt uns nach hinten an einen Tisch. Dreimal dürft Ihr nun raten, wer da sitzt. Richtig, die Franzosen! Das Ganze ist schon längst zum Running Gag geworden.

Das Drei-Gänge-Menü ist absolut großartig und qualitativ unser bisher bestes Essen. Auf dem Rückweg findet Stefan in einem kleinen Laden ein tolles Taschenmesser mit Primitivo-Gravur, das uns noch sehr gute Dienste leisten würde. Dann schlafen wir – schon wieder – zu dritt etwas besänftigt in einer eiskalten Herberge ein und hoffen auf einen guten Morgen.

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