Noch mehr Pilger- Der Camino Primitivo Etappe 11 – Ferreira bis A Fraga Alta -


Eine lange Etappe, die uns durch Melide bis in ein kleines Dorf irgendwo im Nirgendwo führt. Von der Einsamkeit des Primitivos bleibt nicht mehr viel übrig, denn der Camino Primitivo und der Frances treffen hier zusammen. Wir fühlen uns wie in einer Touri-Stätte und müssen am Abend wieder eine Entscheidung treffen.

Nach einer wieder mal sehr kurzen Nacht gibt es gegen 7 Uhr Frühstück im Gemeinschaftsraum. Die anderen kommen nach und nach dazu und laufen auch einer nach dem anderen vor uns hinaus auf die nächste Camino-Etappe. Die drei Damen aus Portugal lassen gut gelaunt ihre riesigen Rucksäcke zur Abholung stehen und ich komme nicht umhin, den Kopf zu schütteln. Auch unser spanischer Mitbewohner geht früh los, wundersamerweise hat er es aus dem Bett geschafft und begleicht sogar vorher noch seine Rechnung vom gestrigen Abend.

Wir laufen mal wieder als letzte los, holen aber nach einer Stunde bereits die drei Damen ein, die genüsslich eine Kaffeepause einlegen. Wir laufen schmunzelnd an ihnen vorbei und werden herzlich gegrüßt. Es geht wieder bergauf, eine der angeblich letzten Spitzen auf dem Camino. Stefan sagt es immer wieder, doch es kommt Anstieg auf Anstieg und so wird das Ganze langsam zum Running Gag.

Wenig später haben wir wieder die Frauentruppe hinter uns, doch plötzlich scheint es eine ganze Horde zu sein. Der Trubel nervt mich und ich frage mich, wie es wohl wird, wenn bald auch noch der Camino Norte hinzukommt. Irgendwann Richtung bergab haben wir auch noch eine Gruppe junger Leute vor uns, die so laut vor sich hin reden und Musik hören, dass sie wahrscheinlich bis nach Santiago schallen.

Auf der Suche nach einem Ort zum Pause machen kommen wir durch ein kleines Dorf, in dem gerade eine Beerdigung stattfindet. Wir laufen durch kleine Dörfer und kommen irgendwann nach Melide, wo wir einige Zeit in einer Art Diner verbringen, um Kraft zu tanken. Leider vergessen wir die Zeit, sodass alle Läden dicht sind, als wir hinausgehen. Ich bin wütend über mich selbst, darauf nicht geachtet zu haben, denn bis zu unserem Ziel A Fraga Alta gibt es keine Einkaufsmöglichkeiten mehr und das Wasser wird langsam knapp.

Schlecht gelaunt laufen wir weiter. Nun kommen immer mehr und mehr Pilger hinzu, bis wir fast in einer Karavane laufen müssen, denn hier sammeln sich nun der Camino Primitivo und der Frances. An jeder Ecke sind Schilder mit Bars, Restaurants und Herbergen und es sieht fast schon aus wie eine Tourimeile. Ich vermisse plötzlich die Einsamkeit auf dem Primitivo.

Glücklicherweise stoßen wir ein paar Kilometer weiter auf einen kleinen Wagen, wo Pilger kostenlos Wasser nachfüllen dürfen – übrigens der einzige, den wir bisher auf dem gesamten Weg gesehen haben. Etwas besänftigt laufen wir weiter, bis nach A Fraga Alta, wo wir in einer ganz kleinen Herberge mit nur einem Schlafsaal mit vier Betten und einem Doppelzimmer übernachten. Wir bleiben die einzigen im Mehrbettzimmer, sodass wir unsere Ruhe haben. Da wir zu wenig Geld für ein weiteres Pilgermenü haben, fragen wir nach Brot und kriegen sogar etwas geschenkt.

Beim Essen suchen wir auf Instagram nach Primitivo-Leuten und finden sogar die Polin, mit der wir ein Stück zusammengelaufen sind. Angeblich ist sie schon in Santiago angekommen und müsste uns damit überholt haben, was bei unserem Tempo schwer vorstellbar ist. Doch irgendwie fixt uns die Situation nun an. Was, wenn wir einfach eine Etappe überspringen und morgen schon nach Santiago de Compostela laufen? Es wären über 40 Kilometer aber, wieso nicht?

Eigentlich ist es mehr oder weniger ein Scherz, der mich aber für den Rest des Tages zum Nachdenken bringt. Für alle Fälle bereiten wir am Abend schon alles vor, trocknen unsere Klamotten und füllen unser Wasser auf. Danach sitzen wir noch eine Weile draußen vor der Bar und beobachten andere Pilger, die in kleinen Abständen an uns vorbeilaufen.

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