Aus der Großstadt ins Nirgendwo geht es heute auf 30 Kilometern. Wir verlassen Lugo und laufen viel auf Asphalt entlang, treffen auf Pilgertouris und reden endlich mit unseren Lieblings-Franzosen.
Wer Etappe 8 mitverfolgt hat, weiß, dass ich eine Nacht ohne Decke und Heizstrahler verbracht habe. Da ich panische Angst habe, das nochmal erleben zu müssen, nehme ich mir heute für Lugo vor, zwei Geschäfte aufzusuchen, bevor wir unsere Etappe starten.Im ersten Outdoor-Laden werden wir bitter enttäuscht, denn hier gibt’s zwar Zelte, aber keine Schlafsäcke. Okay, denke ich mir, nicht die Hoffnung aufgeben. Im zweiten Sportgeschäft werde ich fündig und kaufe mir für 27 € einen McKinley Schlafsack. Leider bedeutet das auch 1 kg mehr Gewicht, was sich stark bemerkbar macht. Dazu erfahrt ihr später mehr.
Gegen 11 Uhr laufen wir schließlich aus der Großstadt Lugo heraus, die Luft ist stickig und es ist ganz schön heiß. Vereinzelt kommen uns Jogger und Radfahrer entgegen, die so aussehen, wie ich mich fühle – erschöpft und aufgeheizt. Mein Kreislauf mag heißes Wetter gar nicht.
Es geht bergauf über eine bunte Brücke und danach sehr lange auf einer asphaltierten Straße entlang. Den Unterschied merke ich sofort in meinen Füßen – Waldboden ist eindeutig angenehmer. Nach einigen Kilometern machen wir Pause in einer abgelegenen Bar – einem Familienbetrieb – die wir nur durch selbstgemalte Schilder finden. Auch hier kriegen wir wieder eine große Portion total leckere Tapas gratis dazu, denn wir sind ja schließlich arme Pilger, die viel Kraft benötigen.
Wieder ein paar Kilometer weiter treffen wir zwei Deutsche, denen wir zuvor schon begegnet waren. Wir grüßen uns kurz, dann laufen wir weiter. Wir kommen schließlich nach San Romao da Retorta, einem kleinen spanischen Dorf. Auf dem Weg dahin kommen immer wieder Schilder für Herbergen, Restaurants und vieles mehr. Doch wir bleiben nicht dort, denn es gibt keine Einkaufsmöglichkeiten weit und breit, obwohl auf Google Maps ein Shop angezeigt war. Stattdessen steht dort nur ein leeres, verlassenes Haus, vor dem ein seltsam aussehender Mann mit einem Luftgewehr steht. Seine Blicke verfolgen uns, während wir die Straße an ihm vorbei hochlaufen und mir wird etwas mulmig zumute. Schnell weg hier.
Wir laufen weiter nach Ferreira, wo es auch nichts außer drei Herbergen und einer Bar gibt. Wir beschließen zur mittleren Herberge zu gehen, weil diese am modernsten aussieht. Als wir zur Tür eintreten, stehen dort keine geringeren als unsere Lieblings-Franzosen an der Theke. Was für eine lustige Gegebenheit, dass wir immer wieder aufeinander treffen, obwohl wir uns gar nicht kennen.Wir melden uns in der Herberge fürs Abendessen und das Frühstück an, weil es keine Einkaufsmöglichkeit gibt. Das Pilgermenü wird hier für alle zusammen zubereitet und kostet 12 € pro Person. Leider gibt es Paella mit Meeresfrüchten, die ich nicht essen mag. Doch glücklicherweise lassen sich die Besitzer auf einen Deal ein, sodass Stefan und ich uns das Menü teilen können. Es gibt Salat als Vorspeise, an dem ich mich bediene, und Zitronencreme zum Nachtisch. Die Paella wird in einer riesigen Pfanne über dem offenen Feuer zubereitet und von zwei Damen zum Tisch getragen.
Beim Abendessen treffen wir drei Portugiesinnen, die sich ihr Gepäck transportieren lassen, und einen Spanier, der aussieht wie Kaja Yanar-Verschnitt. Zufällig ist er auch unser Zimmergenosse und wir kommen gleich ins Gespräch. Beim Essen schnacken wir zum ersten Mal auch mit den Franzosen und unterhalten uns über dies und jenes. Die anderen sind alle sehr beeindruckt, dass wir den Primitivo laufen und auch etwas ehrfürchtig.
Hinter Lugo sind es noch etwa 100 Kilometer bis Santiago de Compostela. Die Stempel, die man auf diesen letzten 100 Kilometer sammelt, reichen aus, um das Zertifikat zu bekommen. Aus diesem Grund laufen sehr viele Pilger erst ab Lugo über den Camino. Wir nennen sie liebevoll die „Pilgertouris“, denn die meisten laufen nur mit einem kleinen Tagesrucksack und einer riesigen Fotokamera fröhlich durch die Gegend.
Gegen 11 Uhr abends beschließe ich, dass es Zeit zum Schlafen ist. Stefan und der Spanier trinken noch gemeinsam etwas – der Spanier ist leider nicht mehr ganz nüchtern, denn er hat mit uns ziemlich viel Wein getrunken. Dabei können wir wohl einiges mehr ab als er, zu meinem Pech. Wenig später fällt er in sein Bett und schnarcht so laut wie noch keiner in den Herbergen. Nebenan feiern die Frauen aus Portugal bis früh morgens, gackern und gucken laut Fernsehen. Trotz Ohrstöpsel wird es wohl wieder eine kurze Nacht.
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