Eine Nacht im Dschungel Australiens- Gestrandet am Cape Tribulation -


Palmen, Mangroven und weißer Sandstrand, wohin das Auge reicht. Und ich mitten drin. Ganz allein. Am Cape Tribulation. Ich weiß nicht wohin. Ich wurde hier vergessen und jetzt komme ich nicht mehr weg. Klar, ich könnte heute Nacht am Strand schlafen. Aber dann verspeisen mich die Krokodile zum Abendbrot. Kein Witz, die gibt’s hier nämlich auch. Sogar im Paradies. Was war passiert?

Am Morgen hatte ich den Bus von Cairns genommen, der nördlichsten größeren Stadt an der Ostküste Australiens. Von hier starten die Touren zum Cape Tribulation, einer Landzunge 140 Kilometer nördlich von Cairns, an der Regenwald und Great Barrier Reef unmittelbar aufeinander stoßen.

Mit der Gegend hatte ich mich im Vorfeld nicht sonderlich beschäftigt, war sowieso schon zu dem Schluss gekommen, dass die Tipps meiner Mitreisenden viel mehr wert seien als die Infos im Lonely Planet. Und weil mir zahlreiche Backpacker immer wieder vom Cape Tribulation vorgeschwärmt hatten, buchte ich kurzerhand mein Lieblingstransportmittel, den Greyhound Bus, und machte mich auf dem Weg zu meinem Tagestrip.

Cape Tribulation ist kein Ort

Okay zugegeben, ich hätte mich ja schon ein bisschen wundern können, als mich der Busfahrer während der Fahrt mindestens fünf Mal fragte, wo ich denn aussteigen möchte. Aber ich dachte mir nur: „Mensch fahr mich doch einfach zum Cape Tribulation und lass mich da raus, das kann doch jetzt nicht das Problem sein.“ Denkste! Als er nach zweieinhalb Stunden schließlich anhielt und mich ausstiegen ließ, wurde mir mit einem Schlag klar, warum er gefragt hatte.

Cape Tribulation war kein Ort, hier gab es keinen Platz und auch keinen Bahnhof, wie ich es von meinen vorherigen Trips gewohnt war. Hier gab es nur Natur. Ich stand mitten im Nirgendwo zwischen Strand und Regenwald. Einem wunderschönen Nirgendwo immerhin.

Die nächsten Stunden verbrachte ich am Strand, ging spazieren und genoss die Ruhe. Lief durch den Daintree-Regenwald, den mit über 100 Millionen Jahren ältesten Regenwald der Welt, und entdeckte ein kleines niedliches Resort, in dem ich mir einen Snack holte. Ein wunderbarer erholsamer Tag, denn weit und breit war keine Menschenseele zu entdecken.

Ich wartete und wartete und wartete

Weil ich aber natürlich auf gar keinen Fall den einzigen Bus des Tages zurück in die Stadt verpassen wollte, saß ich schon viel zu früh am vereinbarten Abholpunkt und wartete. Nach ungefähr 20 Minuten leistete mir ein Busfahrer Gesellschaft, der auf seine Passagiere wartete. Ich fragte ihn noch, ob es nicht sein könnte, dass ich mit ihm fahre, aber er verneinte und war sich ganz sicher, dass ich mit einer anderen Busgesellschaft fahren würde.

Ich wartete und wartete und wartete. Um 16:50 saß ich immer noch auf der kleinen Holzbank und wurde langsam nervös. Der andere Bus war mittlerweile auch längst abgefahren, also lief ich noch einmal zu dem Resort, das ich tagsüber entdeckt hatte. Die Inhaber, die sofort total freundlich zu mir waren, gaben mir ein Telefon, damit ich bei der Busgesellschaft anrufen konnte. Denn: Handyempfang gab es hier am Cape natürlich nicht.

Die Busgesellschaft aber war wenig hilfreich und empfahl mir, einfach weiter zu warten. Die Minuten zogen sich und niemand holte mich ab. Also rief ich dort noch einmal an und weil ich wieder nur abgewimmelt wurde übernahm der Inhaber des Resorts das Gespräch. Schließlich stellte sich heraus, dass der Busfahrer, mit dem ich mich so lange unterhalten hatte, sehr wohl derjenige gewesen war, der mich hätte mitnehmen sollen. Allerdings hatte er nicht die aktuelle Passagierliste dabei, auf der ich andernfalls gestanden hätte.

Schon James Cook war hier gestrandet

Ein weiterer Bus fuhr an diesem Tag nicht mehr gen Süden und so begann der herzensgute Resortmanager, Einheimische zu kontaktieren und sie zu fragen, ob sie an diesem Tag noch nach Cairns fahren würden. Leider erfolglos.

Schon James Cook war auf seiner ersten Südseereise im 18. Jahrhundert hier mit seinem Schiff aufgrund gelaufen und beinahe verloren gegangen – daher auch der Name Cape Tribulation. Sollte mir nun das gleiche Schicksal drohen?

Ich überlegte also bereits, wie es nun für mich weitergehen würde, als mir der Resortinhaber ein großzügiges Angebot machte. Er bot mir eines seiner Zimmer für die Nacht an und drückte mir sogar noch Essensgutscheine für das Restaurant in die Hand. Über die Bezahlung brauche ich mir keine Gedanken machen, sagte er, das Geld würde er sich später von der Busgesellschaft zurückholen.

„No worries“

Puh, ich war richtig erleichtert und gerührt über so viel Menschlichkeit. Na klar, ich war in keiner lebensbedrohlichen Situation und hätte das Zimmer auch zahlen können. Andererseits waren es auch immer noch die ersten beiden Wochen meiner ersten richtig großen Reise und so plötzlich wirklich auf eigenen Füßen stehen zu müssen überforderte mich in diesem Moment noch ein bisschen. Seine Hilfe und Unterstützung bedeutete mir in diesem Moment wahnsinnig viel.

Den Abend und die Nacht verbrachte ich also im Resort.Und als ich mich am nächsten Morgen nochmal überschwänglich bedankte, verabschiedete sich der Manager australisch-typisch mit den Worten „No worries“

Wie recht er hatte – bei so viel Gastfreundschaft musste man sich wirklich keine Sorgen machen.

Wissenswertes

Das Cape Tribulation ist für seine Naturschönheit und den Ökotourismus bekannt. Mit seinem warmen Klima, üppigem tropischen Regenwald (Weltkulturerbe), weißen Sandstränden, Riffsorten und der Nähe zum Great Barrier Reef (ebenfalls Weltkulturerbe) ist es ein einzigartiges und unberührtes Ziel für Reisende aller Art. Es ist einer von nur zwei winzigen Gebieten in der Welt, wo der Regenwald das Riff und den einzigen Ort auf der Erde trifft, wo zwei Welterbestätten einander begrenzen. Ein wahrlich einzigartiges Reiseziel!