Ihr Mund ist noch immer zu einem Schrei verzogen. Aus ihren Zügen spricht blanke Panik. Die Finger verkrampft um die eigenen Schultern geschlungen, eingesunken und verängstigt. Ich kann nicht mehr hinsehen und senke den Blick. Der für ewig in Stein eingeschlossene letzte Moment dieser Frau, deren Namen ich niemals kennen werde, trifft mich tief. Im längst verlorenen Pompeji kommen mir die Tränen.
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Europa ist nach Australien der zweitkleinste Kontinent der Erde.
Auf der zweiten Etappe des Camino Primitivo bewältige ich knapp 25 Kilometer, die zwar anstrengend sind, aber sich gut bewältigen lassen. Der Tag beginnt mit einem guten Frühstück und endet mit einer frostigen, einsamen Herberge und ich merke, dass ich eine ganz entscheidende Sache vergessen habe.
Es ist soweit: Unsere erste Etappe auf dem Camino Primitivo – dem härtesten aller Jakobswege – steht an! Doch der Start ist holprig … denn uns passiert etwas, das wahrscheinlich noch nie einem Pilger passiert ist! Gut, dass es die anderen Wanderer gibt!
Unter meinen Fuß schillert der Ozean in blau und türkis. Ich rieche den Duft der Olivenhaine auf in den Bergen hinter mir, höre, wie der Wind durch die Blätter der Zitronenbäume rauscht. Mein Blick wandert über die Inseln im Meer, eingetaucht in mystischen Abendnebel. Ein wohliger Schauer fährt mir über den Rücken, als die Sonne langsam am Horizont versinkt, den Vesuv in der Ferne in goldenes Licht taucht. Ein Zauber liegt in der Luft von Sorrent. Ergriffen schließe ich die Augen.
Wie fängt man an, eine Reise zu beschreiben, für die es eigentlich keine Worte gibt? Auch heute, einige Monate nach meiner Primitivo-Tour, habe ich noch immer nicht ganz realisiert, was da eigentlich passiert ist. War ich das, die fast 500 Kilometer zu Fuß gelaufen ist? Berge erklommen und Flüsse überquert, mit wildwuchernden Pflanzen gekämpft und im ältesten Restaurant der Welt gegessen hat, direkt vor der heiligsten aller Kirchen, mitten in Santiago de Compostela?
Die Aussicht ist atemberaubend. Vor mir strahlt das Kolosseum golden in der Mittagssonne, Kirchturmspitzen lugen hinter den Dächern hervor, eine leichte Brise weht und ich lehne mich genüsslich in meinen Liegestuhl zurück. Es gibt nichts zu tun, ich muss nur genießen, entspannen. Hier oben, nur wenige Meter vom antiken Zentrum der ewigen Stadt habe ich eine Oase entdeckt, die zwar keine Jahrtausende alt ist, aber mindestens genauso schön.
Der weiße Zauberstab ragt über die Köpfe der Menschenmassen hinaus — ein klares Symbol für die, die wissen, was sie suchen. Lächelnd behalte ich den Stab im Blick und zwänge mich an Schultern und Rucksäcken vorbei, bis ich vor ihr stehe. Ihr Name ist Sarah, rote Locken, ein blauer Wollmantel, ausdrucksvolle Augen, ein wissendes Grinsen im Gesicht. „Let the magic begin“, sagt sie.
Es ist eiskalt, und trotzdem ist mir warm ums Herz. Eingehüllt in eine dicke Regenjacke hebe ich mein Gesicht in den Wind, er pfeift mir in den Ohren, peitscht meine Haare um meinen Kopf. Dann spüre ich, wie ein sanftes Licht vor meinen geschlossenen Lidern erscheint. Ganz langsam öffne ich die Augen. Die Sonne geht auf und taucht den Calton Hill in Edinburgh in einen goldenen Schein. Ich bin hier…in Schottland.
Was genau mich an Schottland schon immer fasziniert hat? Vielleicht waren es die karierten Kilts, der karamellfarbene Whisky oder doch das Einhorn auf dem Wappen. Das Ungeheuer in einem See, die Dudelsäcke, keltische Mythologie oder schottische Märchen. Oder vielleicht das Wissen, dass irgendwo in den Highlands Hogwarts versteckt sein muss.