Wir wissen jetzt: Dieses Arbeiten von unterwegs funktioniert. Internet gibt es inzwischen selbst an den entlegendsten Orten und unsere Kunden haben auch keinen Aufstand geprobt. Nicht mal das Geld ist uns ausgegangen. Warum also gerade jetzt alles hinwerfen?
Foto: Monika MesterHzy // CC0 1.0
Der Tag, an dem mir klar wurde, dass es so nicht mehr weitergehen soll, war ein ganz gewöhnlicher Tag. Am Morgen waren wir auf Mauritius gelandet. Wir saßen auf unserem neuen Sofa und blickten aufs Meer. Es war nicht besonders bequem, aber das Wasser vor uns schimmerte türkis und die Palmen bewegten sich sanft im Wind. Mauritius sollte einmal das erste Ziel unserer Reise um die Welt als Digitale Nomaden werden, bevor wir spontan – und um all unsere Freunde zu verwirren – einen Flug nach Martinique buchten. Genau, auf diese andere Insel mit M, die ebenfalls Palmen und Strand und viel Wind hat. Und überhaupt in so vielerlei Hinsicht ganz ähnlich wie Mauritius ist. Aber das wissen wir erst jetzt.
Wir sitzen also auf unserem Sofa und stellen fest, dass dieses neue und vermeintlich „aufregende“ Leben für uns Alltag geworden ist. Aufstehen, arbeiten, Frühstücken, wieder arbeiten, kitesurfen und ab und an auch mal anderweitig sporteln, dann Abend essen … so sehen unsere Tage im Paradies – nein was sage ich – in all diesen Paradiesen nun seit elf Monaten aus.
Findest du den Fehler?
Richtig: Das unbequeme Sofa.
Denn je länger wir unterwegs sind, desto klarer wird uns, was uns wirklich wichtig ist. Unsere Gesundheit beispielsweise, gutes Essen und ein soziales Umfeld. Und Gemütlichkeit, Hygge, wie die Trendbewussten unter uns es so schön nennen. Denn mal ehrlich: Fandest du es jemals in einem Sommerurlaub gemütlich? Eben!
„Guck mal, hier ist es schön, fast wie in Dänemark“, rutscht es uns immer öfter über die Lippen und das an Orten, an denen ihr nie darauf kommen würdet: In Kenia, in der Dominikanischen Republik und eben auf Mauritius. Was wir noch nicht wahrhaben wollen, weiß unser Unterbewusstsein schon längst.
In den traumhaften Wochen, die wir auf einer der schönsten Inseln der Welt mit dem sowieso besten Kitespot der Welt verleben, fällt eine Entscheidung: Wir brechen unsere Zelte ab. Das digitale Nomadenleben nimmt ein Ende und wir ziehen wieder in ein richtiges Haus.
Warum?
- Ich möchte endlich wieder einen richtigen Schreibtisch haben
- Und einen Supermarkt mit einer riesigen Auswahl an tollen Lebensmitteln. So ein Luxus!
- Ich wünsche mir eine gute Matratze
- Und eine Dusche, aus der warmes Wasser kommt, wann immer ich es möchte
- Weil ich mir Verlässlichkeit wünsche und Preisschilder an den Waren
- Weil ich mich nicht mehr verabschieden möchte
- Weil kein WhatsApp und Skype der Welt den richtigen Kontakt zu Freunden und Familie ersetzen kann
- Weil immer nur schönes Wetter auf Dauer richtig langweilig ist und die Temperaturen manchmal sowieso zu heiß
- Weil mir beruflicher Austausch fehlt
- Und eben: Ein bequemes Sofa
Was übrigens keine Gründe sind (obwohl das viele inklusive mir geglaubt haben)?
- Weil ich Materielles vermisst habe und endlich wieder Besitz anhäufen möchte. Im Gegenteil!
- Weil mich die vielen Spinnen, Skorpione, Schlangen, Hunderfüssler und Tierchen, deren Namen ich nicht einmal kenne, gestört haben
- Weil das Arbeiten von unterwegs nicht funktioniert hat
- Weil dieses Leben auf Dauer zu teuer wurde
- Weil ich mit der Armut, die mich ständig umgab, nicht mehr klar kam (siehst du den Widerspruch zum vorigen Punkt?)
Was ich vermissen werde?
- Meine Yogastunden im Treehouse
- Die Möglichkeit, direkt vor meinem Zuhause aufs Kiteboard zu steigen
- Die Kenianer
- Andere Reisende mit ihren bunten Lebensentwürfen, die mein Weltbild so manches Mal auf den Kopf gestellt haben
- Die Abwechslung
- Das Obst
- Und an manchen Tagen in Norddeutschland sicherlich auch die Temperaturen und die Sonne
„Hatschi“ – da ist er wieder, der Heuschnupfen.
The grass is always greener on the other side*
Übrigens!
Dieser Artikel ist in geänderter und wesentlich ausführlicher Form auch in der Zeit erschienen. Du liest ihn, wenn du auf „Mauritius? Nein, ich will nach Hause“ klickst.
Wissenswertes
* The grass is always greener on the other side
Something that you say that means that other people always seem to be in a better situation than you, although they may not be.
(Quelle: Cambridge Dictionary)
Hi Birte,
sehr schöner, ehrlicher Text, den ich gut nachvollziehen kann. Mir ging es auf meiner bisher längsten Reise sehr ähnlich. Zwar war ich „nur“ 6 Monate unterwegs und habe auch nicht gearbeitet, doch exakt die Gründe die du nennst haben mich auch gestört und mich von der zuvor in meinem Kopf schwirrenden Idee mich als Dauerreisender zu versuchen abgebracht.
Mir wurde klar, dass auch das spannendste Reisen irgendwann zum Alltag wird und einen in gewisser Weise abstumpft. Ich möchte jeden der spannenden Orte die ich besuche auch mit großer Begeisterung wahrnehmen und das hat für mich nach ca. 2-3 Monaten auf Reise schon nicht mehr so richtig funktioniert. Ich habe festgestellt, dass die für mich ideale Reisedauer 1-3 Monate beträgt, sodass ich genug Zeit habe Orte in ihrer Tiefe zu entdecken und mich völlig in der fremden Kultur treiben zu lassen, aber ich eben nicht abstumpfe und mir die Begeisterung beibehalten kann.
LG Felix
Hallo Felix, vielen Dank für deine nette Nachricht! Ich finde auch, dass man zwischendurch immer mal wieder durchatmen muss, um all die vielen Eindrücke zu sortieren und zu verarbeiten. Und ich habe für mich auch erkannt, dass dieses dauernde Unterwegssein viele Schattenseiten hat. Auch hier kommt es wohl, wie bei so vielem im Leben, auf das richtige Maß an ;-)
Hallo liebe Birte,
vielen Dank für diesen tollen, ehrlichen und interessanten Einblick in euer Leben auf Reisen. Beeindruckend, dass du viele der Gründe genannt hast, die mich bislang abgehalten haben, Deutschland den Rücken zu kehren. Die Gründe, die euch zurück nach Dänemark gebracht haben sind die weshalb ich noch nicht für immer los bin und mir das auch nicht vorstellen kann. Das bringt nun meinem Gedankenkarusell eine kleine Pause – vielen Dank dafür!
Viele Grüße aus Frankfurt
Isa von lustloszugehen
Hey Isa, ich habe mir gerade deinen Blog angeschaut, total toll! Du kommst ja auch ganz schön in der Welt herum! Das dauerhafte Leben im Ausland muss wirklich nicht für jeden etwas sein und ist etwas ganz anderes, als das Reisen (ohne Wertung). Ich werde mal auf deinem Blog verfolgen, wie es für dich weitergeht :-) Wie auch immer du dich entscheidest: Viel Spaß dabei!
Ein sehr schöner und ehrlicher Artikel, liebe Birte. :)
Das zeigt mir, dass die eigenen Beziehungen im Leben so einen wichtiger Bestandteil sind. Das würde mir auch am meisten fehlen, einfach mal Familie und Freunde live umarmen und drücken zu können. Schön zu sehen, dass ihr auf euer Herz gehört habt und einfach nach Hause gefahren seid.
Und ich bin mir sicher: der nächste Ruf nach etwas Neuem, nach dem Meer, nach Abwechslung…wird wieder kommen und dann könnt ihr wieder entscheiden, was ihr macht. Jeder hat seinen eigenen Rhythmus. :)
Alles Liebe und schöne Grüße aus Wien!
Susi
Hallo Susi, oh ja, da hast du so recht, ich bin auch sicher, dass es wieder losgehen wird! Dann vielleicht nicht mehr so lange, aber dafür immer mal wieder ;-) Liebe Grüße aus dem hohen Norden!
Schön und ehrlich. Ganz toll. Danke für den Artikel.
Lg Jojo
Danke :-)