Die Motoren heulen auf, ein Ruck geht durch die Kabine. Ganz langsam, als wollte es uns mit jedem Gramm seines Gewichtes entgegenschreien „ICH MÖCHTE AM BODEN BLEIBEN!!!!!“, setzt sich das Flugzeug in Bewegung. Der Pilot gibt Gas, draußen ziehen grüne Wiesen und Bäume im Schneckentempo vorbei. Dann endlich hebt sich die Nase in die Luft, das Flugzeug gleitet dem tiefdunkelblauem Himmel über Auckland entgegen.
Ich werde in meinen Sitz gedrückt, die Schwerkraft entfaltet ihr volle Wirkung. Dann sackt das Flugzeug plötzlich ab und ich bin mir sicher: Jetzt stürzen wir ab! Tun wir aber nicht, tun wir zu diesem Zeitpunkt nämlich nie und auch ich sollte das eigentlich langsam begriffen haben. Stattdessen greift die Flugbegleiterin zum Mikro und begrüßt uns noch einmal an Bord. Das Fahrwerk klappt ein – und ich bin erleichtert.Kennt ihr sie auch, diese verdammte Flugangst? Obwohl ich im vergangenen Jahr zehnmal mit einem Flieger irgendwo auf dieser Welt (zumeist auf einen Langstreckenflug) gestartet oder gelandet bin, holt sie mich immer wieder ein. Weil – wie meine ehemalige Mitbewohnerin und Stewardess es mal auf den Punkt brachte – „ich mir jedes Mal da oben denke, dass wir da eigentlich nicht hingehören.“
Während ich diese Zeilen tippe, sitze ich tatsächlich gerade mal wieder in einem Flieger, irgendwo in den Wolken über dem pazifischen Ozean. Lieber würde ich „über den Wolken“ schreiben, aber das ist nicht richtig und deshalb ruckelt es hier gerade gewaltig. Die Anschnallzeichen gehen an und schwupps – habe ich plötzlich einen Flugbegleiter neben mir sitzen. Sah ich so ängstlich aus?
Während ich aus dem Fenster schaue, muss ich daran denken, dass ich beim Fliegen immer besonders achtsam bin. Ich achte im wahrsten Sinne wirklich auf alles: Riecht es in der Kabine nach Kerosin? Oder ist es nur der ungewaschene Typ in der Reihe vor mir? Wie ist es möglich, dass sich am Fenster Feuchtigkeit absetzt – ist dort vielleicht ein Loch? Und was war das da gerade für ein Geräusch?
Foto: Lukas Bieri // CC0 1.0
Beim Fliegen legst du dein Leben in die Hände des Piloten und des Windes, bist gezwungen, dem Techniker zu vertrauen, der den entscheidenden Handgriff bei der letzten Reparatur des Fliegers getan hat. Du gibst Kontrolle ab.
Mich ganz dem Wind hingeben, ihn zu verstehen, zu lernen, welchen Einfluss Thermik auf die Luftbewegungen hat – all das hat mir in den letzten Monaten sehr dabei geholfen, das Wagnis einzugehen, immer öfter den Boden unter den Füßen zu verlieren, Verantwortung an den Wind abzugeben und vor allem: zu genießen. Denn ebenso, wie sich mein Kite am Himmel nach jeder Böe wieder gefangen hat, so schüttelt sich auch das Flugzeug immer wieder in seine Bahn zurück. Noch bin ich nicht gut darin, in jeder Sekunde darauf zu vertrauen, aber ich werde immer besser.
Während ich in Gedanken schwelge, habe ich gar nicht gemerkt, dass die Anschnallzeichen erloschen sind, das Flugzeug wieder ruhig gen Afrika zieht. Wieder einmal haben wir überlebt.„See you later“ verabschiedet sich mein Sitznachbar lachend, um endlich das Mittagessen auszuteilen.