"Jetzt ist die Zeit, um …"- "auf neuen Wegen mit anderen Kulturen in Kontakt zu kommen" -


Vielleicht erinnert Ihr euch – im Frühjahr diesen Jahres war ich Speakerin beim Achtsam Reisen Festival. Mit Laura, der Organisatorin, verbindet mich nicht nur die Liebe zu Kenia, sondern auch die Einstellung zum Reisen, was für uns so viel mehr bedeutet, als nur Sehenswürdigkeiten abzuhaken. Und genau deshalb hat mich interessiert, wie sie aktuell zum Thema Reisen in Zeiten von Corona steht. Herausgekommen ist ein tolles Interview und eine spannende Tatsache: Denn Laura hat das Reisen (vorerst) an den Nagel gehängt – und redet seither noch viel mehr darüber.

Hallo Laura, du bist in den letzten Jahren viel gereist, hast unter anderem längere Zeit in Kenia gelebt. Trotzdem hast du aktuell beschlossen, erstmal nicht mehr zu reisen. Wie kommt’s?

Das hat verschiedene Gründe. Die letzte „richtige große Reise“ war Anfang 2019 nach Kenia. Danach bin ich umgezogen und es war aufregend genug, die neue Umgebung zu erkunden. Und jetzt kommt der klassische Satz: Und dann kam Corona. Mich persönlich hat es lange Zeit überfordert, die ständig wechselnden Reisebestimmungen zu verfolgen. Also habe ich eine Fernreise einfach erstmal nicht mehr in Betracht gezogen. Und schließlich habe ich mit meiner Familie eine große Open-End-Abenteuerreise für nächstes Jahr geplant. Darum trete ich jetzt kürzer und konzentriere mich auf die Vorbereitungen.

Wie bist du vor Corona gereist? Was ist dir auf Reisen generell wichtig?

Ich habe immer Menschen, Projekte oder Events besucht. Ich habe also nie eine Liste gehabt mit Ländern, die ich unbedingt mal sehen (oder abhaken) möchte. Es war eher so, dass ich irgendwo jemanden kannte oder etwas machen wollte. Zum Beispiel Freiwilligendienst in Kenia, das Entrepreneur Café in Indien, Permakultur-Höfe in Schweden oder meine Schwester in Tokio besuchen. Das ist mir nach wie vor das Wichtigste beim Reisen: Mit Menschen in Kontakt zu kommen. Und weil das ja nun gerade nicht besonders einfach ist, haben sich auch meine Reisen sehr beschränkt.

Während der Corona-Pandemie hast du das Achtsam Reisen-Festival gegründet, an dem ich ja auch als Speakerin teilnehmen durfte. Ist das dann nicht ein Widerspruch, wenn du selbst gar nicht mehr reist momentan?

Das könnte man meinen. Ich beschäftige mich nach wie vor mit dem Thema Reisen. Aber gar nicht im Sinne einer Reisebloggerin oder eines Reiseführers à la „Hier sind die Top Ten Reiseziele…“. Mir geht es stattdessen um das Mindset auf Reisen. Ganz viel von diesem typischen Reisefeeling lässt sich nämlich auch zu Hause erleben.

Warum ist es gerade jetzt so wichtig, übers Reisen zu sprechen?

Weil wir jetzt die Zeit und die Möglichkeiten haben, kreativ zu sein und neue Wege zu finden, um offen mit anderen Kulturen in Kontakt zu kommen. Wir können uns mit uns selbst, unserer Verantwortung und unseren Privilegien beschäftigen. Und wenn es dann wieder möglich ist, entspannt, respektvoll und verantwortungsvoll zu reisen, sind wir gut vorbereitet. Ich möchte mit dem Achtsam Reisen Festival nichts weniger, als das Reisen zu revolutionieren. Da eignet sich so eine Pause doch ganz gut, um die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen.

Wie wirst du in Zukunft reisen?

Nach wie vor zu den Menschen anstatt zu den Sehenswürdigkeiten. Noch viel langsamer als zuvor. Bevorzugt ohne Flugzeug, aber nicht dogmatisch. Und besser vorbereitet. Um dir mal ein konkretes Beispiel zu geben: Ich plane mit meiner Familie nach Kenia zu reisen, weil dort die Familie meines Mannes lebt. Soweit es geht, möchte ich aufs Flugzeug verzichten. Also mit dem Zug durch Frankreich und Spanien, wo wir einen ersten Zwischenstopp auf einer Farm machen möchten. In Marokko habe ich ein paar Kontakte. Bis dorthin legen wir also die Route fest. Was danach kommt, überlassen wir derzeit erstmal dem Universum. Die Vorbereitung sieht dann so aus, dass ich mein Schulfranzösisch ausgrabe, und zumindest so viel Spanisch und Arabisch lerne, dass ich mich vorstellen kann. Von meiner marokkanischen Freundin lasse ich mir Bücher und Filme empfehlen. Und schließlich recherchiere ich über die globalen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge zwischen allen Ländern auf der Route und Deutschland.

Ich kenne viele, die immer stärker das Gefühl haben, mal „raus zu müssen“. Was würdest du denen raten?

Raus zu gehen! Schuhe an, Rucksack auf und los. Laufen! Gerade jetzt gibt es doch so viel Inspiration für Abenteuer vor der Haustüre. Wir denken immer, wir werden unsere Probleme erst los, wenn wir das Schweige-Retreat in Indien gemacht und den Regenbogenberg in Peru gesehen haben. Im Rucksack haben wir uns selbst aber immer dabei.
Ich selbst arbeite gerade daran, meine Beziehung zu Deutschland nochmal so richtig zu vertiefen. Damit ich mich wirklich wohlfühle hier. Wenn meine große Reise dann losgeht, möchte ich dankbar Abschied nehmen und diesem beliebten Reiseland Deutschland nicht voller Groll den Rücken zuwenden.

Was würdest du dir von anderen in Bezug auf ihr Reiseverhalten wünschen?

Ich rate allen Reisemenschen, sich darüber Gedanken zu machen, was sie gerade brauchen und möchten und erst dann das entsprechende Reiseziel und den Reisemodus auszuwählen. Ich habe es für mich als unglaublich bereichernd wahrgenommen, mich gut vorzubereiten und sehr wenig zu planen. Das heißt, mich mit meinen Privilegien als Inhaberin eines deutschen Passes auseinanderzusetzen. Mit den globalen Zusammenhängen und Ungleichheiten. Und mich an die Menschen vor Ort zu halten.
Das macht das Reisen nicht einfacher. Aber so viel tiefer und inspirierender!

Das Gedanken Safari-Festival startet am 29. Oktober und geht 3 Tage lang. An deinem Workshop dürfen wir am 30. Oktober um 19 Uhr teilnehmen. Was erwartet uns?

Genau, das Gedanken Safari Festival wird von Juliane veranstaltet, die auch beim Achtsam Reisen Festival Speakerin ist. In meinem Workshop geht es um die letzten Glaubenssätze, die dich noch vom Reisen abhalten. Also zum Beispiel: „Ich muss hier unbedingt raus, erst dann werde ich glücklich.“ Tja, mit dieser Annahme bist du in einer Sackgasse, denn vorwärts geht’s gerade nur sehr schleppend (Stichwort Corona). Und rückwärts willst du auch nicht, du willst ja raus. Eine ziemlich ausweglose Situation. Ein anderes Beispiel: „Ich hab überhaupt keine Zeit, mich durch die ganzen Reisebestimmungen zu quälen.“ Mit dieser Annahme geht’s für dich so schnell nicht auf Reisen.
Es gibt aber so viele Methoden und Fakten, mit denen wir solche und andere Glaubenssätze entschärfen können. Mit meinem Workshop ermögliche ich dir also, die letzten Hürden auf dem Weg zu deiner Traumreise zu nehmen.

Vielen Dank für das Interview liebe Laura.

Danke dir, liebe Birte!

Über Laura:

Laura Omamo hat 2021 das Achtsam Reisen Festival ins Leben gerufen, bei dem es Interviews, Vorträge, Workshops, Filme, Musik und Austausch für deine verantwortungsvolle Reise gibt.