Die nette Dame von der Gepäckabfertigung lächelt, süßlich, entschuldigend, würde am liebsten mit den Augen rollen – mit einer neuen Antwort kann sie trotzdem nicht aufwarten: „Nein, es tut mir leid, aber bisher können wir Ihren Koffer nicht finden. Bitte haben Sie noch etwas Geduld.“ Diese Geduld fordert sie seit drei Stunden. Das Gepäck taucht trotzdem nicht mehr auf, verschwindet im unergründlichen Kosmos der Flughafenterminals, der Abflughallen und Gepäckbänder. Tja, hätte man doch…
…lieber den Rucksack gepackt, auf sieben T-Shirts, fünf Jeans, drei Paar Wildlederstiefel, die Glitzerpumps, den himmelblauen Sakko, das gebügelte Hemd, die extra Badetücher, den neuen Fotoapparat zusätzlich zur alten Kamera, dreizehn Ersatzsockenpaare und Mamas großen Sommerhut verzichtet.
Warum tendieren wir, und ganz voran wir Deutschen, immer dazu, viel mehr mit uns mitzuschleppen, als wir am Ende brauchen? Diese Frage stelle ich mir jedes Mal aufs Neue, wenn ich am Flughafen warte, meinen 32L Reiserucksack gemütlich zwischen den Knien, schon längst durch die Sicherheitskontrolle, während die Familie mit ihren sieben Koffern und fünf Handgepäckstücken noch immer warten muss. Mit diesem Rucksack bin ich zwei Wochen durch Italien gereist, habe Städtetrips nach London, Berlin und Paris gemacht; in diesen Koffer bekomme ich auch alle Dinge, die ich brauchen würde, würde ich für sechs Monate oder länger unterwegs sein.
Es ist die Angst, die uns dazu treibt, mindestens unseren halben Haushalt auf 20kg Gepäckobergrenze zu quetschen. Angst, nicht richtig angezogen zu sein. Angst, dieses oder jenes nicht dabei zu haben, falls dieser besondere Anlass doch noch eintritt. Angst, nicht auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Ich habe schon Menschen gesehen, die mit Taucherflaschen, Angelausrüstung und Badmintonschlägern für fünf Tage Badeurlaub nach Mallorca geflogen sind, aber sportlich aktiv sie dann doch nicht. Weniger ist so oft mehr.
Seitdem ich mitbekommen habe, wie es ist, am Flughafen in einem fremden Land zu stehen, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht fließend in der Landessprache zu sein, und ohne Habseligkeiten alleingelassen zu werden, habe ich beschlossen, nie wieder einen Koffer aufzugeben.
Das hat mehrere Vorteile, erfordert aber vor der Abreise ein paar Planungsschritte, die sich aber mehr als lohnen.
Was ich mir erspare
- Die Angst, mein Hab und Gut zu verlieren
- Angst, dass etwas kaputt geht oder ausläuft
- Unnötigen Vorbereitungsstress
- Unnötigen Abreisestress
- Nervige Kofferfahrten durch enge Straßen oder über Sandwege
Und was ich dafür gewinne? Die Sicherheit, dass ich alles habe, was ich brauche – und nicht nur auf mein Gepäck bezogen.
Vor der Abreise
Schaut euch an, wie das Wetter am Ziel eurer Reise werden soll. Kein Scherz. Wenn ihr in etwa wisst, ob ihr mit Regen, Sonne, Schnee oder Orkanböen rechnen müsst, wisst ihr gleich, was ihr zu Hause lassen könnt. Für alle ungeplanten Hagel-Sturm-Gewitter-Platzregen-Fälle könnt ihr euch immer ausstaffieren, wenn ihr angekommen seid.
In Wien, wohin ich in drei Wochen reisen werde, warten 30 Grad und strahlender Sonnenschein auf mich. Das heißt: Regencape, Jacke, dicke Schuhe, Socken, Pullover und Weste bleiben hier.
Wie lange seid ihr unterwegs? Grundsätzlich rechne ich so: Ich packe etwa drei verschiedene Outfits ein, das heißt, drei Oberteile, drei Unterteile, verschiedene Accessoires, wenn ich sie brauche. Alle Teile kann ich auch untereinander kombinieren, sodass ich mindestens neun verschiedene Versionen habe – und wen stört es, wenn ich zwei Tage das gleiche trage? Noch mehr herausgeholt. Unterwäsche nehme ich bei längeren Reisen grundsätzlich für sieben Tage mit. Danach wird gewaschen. Auf kurzen Reisen nehme ich dementsprechend nur so viel mit, wie ich brauche.
Zu Hause lege ich zurecht, was ich wie kombinieren kann, mache ein Foto mit meinem Handy, packe dann alles nach dieser Methode zusammen in den Rucksack und ich brauche mir nicht einmal mehr Gedanken zu machen, was ich wann und wie anziehen möchte; noch so ein Problem, das sich so viele auf ihrer Reise oder in ihrem Urlaub machen. Ganz grundlos, wenn es doch so entspannt geht. Leichte, lockere Kleidung nimmt wenig Platz im Rucksack weg. Daher ziehe ich alle schweren, dickeren Klamotten im Flieger an.
Braucht ihr einen Landesadapter für die Steckdosen? Wollt ihr Fotos mit dem Handy machen oder einer Kamera? Müsst ihr Bücher von zu Hause mitnehmen oder gibt es nicht auch etwas Spannendes vor Ort zu entdecken? Ist eure Unterkunft mit Shampoo, Spülung, Lotion, Bettwäsche, Handtüchern und Föhn ausgestattet und könnt ihr euch sparen, euren privaten Schönheitssalon mitzunehmen? In den meisten Hotels, Hostels und auch airbnbs bekommt ihr alles gegen eine kleine Gebühr oder es ist inklusive.
Ja, im Handgepäck dürfen keine Nagelscheren, Schneidemesser oder große Flüssigkeitsbehälter mitgenommen werden. Aber stellt euch die Frage: Brauche ich die wirklich für die Zeit, die ich unterwegs bin? Und ärgere ich mich nicht mehr, wenn ich sie verliere oder unnötig bei mir trage?
Auf der Reise
Ganz nebenbei: Es ist immer möglich, auf Reisen zu waschen. Selbst in Italien konnte ich im kleinsten Hotelzimmer im Waschbecken waschen, den netten Portier nach einem Waschmittel fragen und schon war am nächsten Morgen alles sauber und trocken.
In Italien habe ich gelernt, dass es keinen Sinn macht, im Vorfeld Stadtkarten zu kaufen und mitzunehmen. Ihr bekommt alles vor Ort, und meistens umsonst. Das gilt natürlich nicht für alle Reiseziele, ist aber durchaus eine Überlegung wert.
Wer nur mit Handgepäck reist, hat automatisch weniger Platz, läuft also auch nicht Gefahr, touristischen Schnick Schnack einzukaufen (Nein, auch Oma hat keine Lust, den siebzehnten Plastik-Eiffelturm in ihr Regal zu stellen, auch wenn ihr es nett meint.). Genießt die Zeit vor Ort, schießt Fotos, geht auf Entdeckung – und freut euch, dass ihr nichts einzukaufen braucht, weil ihr nichts mit zurück transportieren könnt.
Im Hotel habt ihr immer Angst, dass euch der teure Schmuck, die dritte Kamera, der PC und das Tablet geklaut werden? Im Rucksack tragt ihr die Sachen bei euch und müsst euch nicht über die Dinge den Kopf zerbrechen, die in eurem Zimmer liegen müssen, weil ihr so viel Zeug dabei habt.
Bei der Abreise
Ist es nicht schön? Diese Ruhe, die Entspannung? Niemand streitet, niemand sucht das grauschwarze Logoshirt zwischen den Hosenstapeln, keiner ist gehetzt. Weil es so einfach geht. Weil alles genau in den Rucksack passt, den jeder sich lediglich überschwingen muss und schon kann es weitergehen.
Nach ihrem ersten Urlaub nur mit Handgepäck sagte einmal eine Freundin zu mir: „Wow, da wurde mir erst klar, mit wie wenig wir wunderbar zurecht kommen!“
Wie wahr.
Gespannt, was ich in Wien unternehme? In vier Wochen erfahrt ihr mehr!
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