Unter meinen Fuß schillert der Ozean in blau und türkis. Ich rieche den Duft der Olivenhaine auf in den Bergen hinter mir, höre, wie der Wind durch die Blätter der Zitronenbäume rauscht. Mein Blick wandert über die Inseln im Meer, eingetaucht in mystischen Abendnebel. Ein wohliger Schauer fährt mir über den Rücken, als die Sonne langsam am Horizont versinkt, den Vesuv in der Ferne in goldenes Licht taucht. Ein Zauber liegt in der Luft von Sorrent. Ergriffen schließe ich die Augen.
„Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn“, schreibt Goethe in seiner Italienischen Reise, erfüllt von Sehnsucht zu dem Ort in Kampanien, den viele Sorrento und die Neapolitaner Surriento nennen. Im Golf von Neapel liegt dieses idyllische Städtchen auf der Halbinsel von Sorrent, eingehüllt in die Felsen der schwarzen Steilklippen aus Vulkanstein. Jahrhundertelang pilgerten Künstler, Maler, Sänger und Schriftsteller an diesen Ort, an dem die Zitronen so groß und saftig und das Meer so blau ist, dass man es fast nicht glauben kann. Nicht nur heute noch bevölkern die Reichen und Schönen den Küstenort, legen mit ihren Yachten neben urigen Fischerbooten in der Marina Grande und lassen sich Spaghetti mit fangfrischen Muscheln in den Luxusrestaurants schmecken. Denn schon während der Regentschaft der Römer, die nach den Phöniziern und Griechen ab 420 nach Christus Sorrent bevölkerten, gönnten sich die reichen Senatoren, Adligen und Gelehrten in ihren Sommerresidenzen eine Auszeit. An diese Zeit erinnert jetzt noch die Villa Pollio Felice (auch: Bagni della Regina Giovanna) am Kap von Sorrent. Doch die Überreste der römischen Meeresvilla können kaum mithalten mit den malerisch-verschlungenen Gassen, gemütlichen Cafés und den Zitronenbäumen überall in der winzigen Stadt, die den Charme dieses Ortes versprühen.Auszeit in Sorrent an der Steilküste
Vom Bahnhof geht es direkt ins Zentrum von Sorrent, das Stadtleben spielt sich hier zwischen der Hauptstraße Via S. Cesareo und der Piazza Tasso ab, benannt nach dem Dichter Torquato Tasso, der aus Sorrent stammt und „Das befreite Jerusalem“ geschrieben hat. Sehen und gesehen werden ist hier in den Sommermonaten das Motto, nicht nur von Touristen, sondern auch den Italienern, die sich eine Auszeit am Meer gönnen. Da Sorrent direkt an der Steilküste liegt (mit einem beeindruckenden Blick über den ganzen Golf von Neapel), ist das Baden nur an bestimmten Stellen möglich.
Von der Küstenwand aus führt ein steiler Abgang durch den Felsen hindurch nach unten an die Promenade zwischen Marina Grande und Marina Piccola, von dem aus auch täglich Fähren zu den benachbarten Inseln Capri, Ischia und Procida oder der Amalfiküste abfahren. Wer es lieber bequem mag, kann von oben auch mit dem Aufzug an der Promenade landen (Fahrpreis ca. einen Euro). Wer die Italiener kennt, der weiß: Gebadet wird, wo Platz ist. Und Platz gibt es immer. Wenn du dich also nicht scheut, so dicht an deinen Nachbarn im schwarzen Sand zu liegen, dass du definitiv jedes Wort der Unterhaltungen und alle Sonnencremespritzer aus der Tube abbekommen wirst, dann schnappe dir Liegestuhl und Sonnenschirm und hinein ins Nass. Die Strandausstattung gibt es an den gekennzeichneten Badestellen (übrigens auch leicht zu erkennen an den unzähligen Vespas direkt davor) zu leihen, rechne am besten mit mindestens 15 bis 20 Euro.Schlendern, entspannen und Kultur in Sorrent
Wenn du lieber durch die lauschigen Gassen schlendern und die sorrentinischen Spezialitäten erkundschaften möchtest, empfehle ich dir einen Rundgang durch die Seitenstraßen. Probiere unbedingt ein frisches Zitroneneis, echten Limoncello und Zitronenschokolade.
Zu entdecken gibt es auch viele Keramikateliers, die Teller, Tassen, Löffel, Türschilder und jede Menge Kleinigkeiten mit Motiven der italienischen Küste anbieten: Zitronen, Olivenbäume und das Meer so weit dein Auge reicht. Die beste Aussicht genießt du vom Stadtgarten Villa Comunale. Von hier erstreckt sich der Golf von Neapel in alle Richtungen, die Fähren und Yachten kreuzen sich direkt unter dir und du kannst in der Sonne sitzen und die Atmosphäre genießen. Und vielleicht taucht sogar ein begabter Sänger auf, der den alten Hit Torna a Surriento aus der Feder von Giambattista und Ernesto De Curtis von 1904 zum besten gibt?Wenn du lieber ein bisschen Kultur in die Reise bringen magst, kannst du die alte Stadtmauer mit einem Bogen aus der Römerzeit und ein Tor der Griechen bestaunen. Durch diese Mauer war Sorrent bis ins 17. Jahrhundert hinein rundherum vor den Sarazenen, den Piraten aus der Türkei und anderen Angreifern geschützt. Du erreichst die Überreste an der Marina Grande, in der Via degli Aranci (Bastion des Parsano) und in der Via Sopra le Mura. In einem einstmaligen Adelspalast liegt das Museo Correale di Terranova, in dem du antike Möbel, Porzellan und Gemälde aus dem 17. bis 19. Jahrhundert sehen kannst. Auch das Franziskanerkloster San Francesco ist einen Besuch wert. Ich lasse meinen Abend in Sorrent an der Piazza Tasso in der Fauno Bar ausklingen. Es gibt vegane, vegetarische und sogar glutenfreie Menüs — meine Pasta ist hervorragend, zum Dessert gibt es echten sorrentinischen Limoncello aufs Haus. Ich beobachte die vielen Menschen um mich her, frage mich, was sie an diesen Ort getrieben hat und wünsche mir im Stillen, dass sie alle genau das finden mögen, was sie wohl in Sorrent gesucht haben: einen neuen Atemzug.
„Und da ich, mein Sorrent, nun scheiden muss,
Noch stets zu früh nach so viel Wonnetagen,
Lass dir den Dank, mein vielgeliebtes, sagen
Für meines Gastrechts herrlichen Genuss.
Der Wandrer, den sein unstet hast’ger Fuß
Durch Thermen, Tempel und Museen getragen,
Er wird, was mir vergönnt ward, nie erjagen,
Nie ganz verstehn Italiens Genius.
Ich aber dürft‘ in dieses Volkes Mitte belauschen seines Herzens freien Schlag,
Nicht eingeschränkt durch heuchlerische Sitte,
Dass offen seine Seele vor mir lag,
Wie eines Freunds, und jetzt mit herbem Schnitte
Der Abschied ein Stück Herz mich kosten mag“
Paul Heyse
Von und nach Sorrent mit dem Zug
Du erreichst Sorrent entspannt von Neapel aus mit der Regionalbahn Ferrovia Circumvesuviana. Diese Bahn ist preiswert und verbindet Neapel mit Pompei Villa dei Misteri (einer der Ein- bzw. Ausgänge zu den historischen Ausgrabungsstätten von Pompeji), Herculaneum und Sorrent. Viele kleine Küstenstädte zwischendurch werden ebenfalls angefahren. Die gesamte Fahrt verläuft von Neapel Piazza Garibaldi über Pompeji, Herculaneum Ercolano Scavi, Vio Equense, Meta di Sorrento und Piano di Sorrento. Der Zug braucht je nach Auslastung rund eineinhalb Stunden, ein Ticket kostet 4,90 Euro. Fahrkarten kannst du in den Bahnhöfen direkt am Schalter erwerben, aber auch in einem Zeitschriftengeschäft (edicola) in einem Kiosk (tabacchi) und in einer Bar. Das Ticket musst du vor der Fahrt unbedingt entwerten. Die Regionalbahn fährt etwa alle halbe Stunde zwischen 6 Uhr morgens und 22 Uhr abends, ist aber nicht immer pünktlich, denn viele Menschen nutzen diese günstige Variante. Komfortabler kannst du mit dem Campania Express oder Reisebussen reisen, doch die Ferrovia Circumvesuviana ist ausreichend, wenn du genügend Zeit einplanst und dich nicht daran störst, mit vielen Menschen nach einem heißen Tag an der Küste ein Abteil zu teilen. Der Campania Express fährt nur in den Touristenzeiten von spätem Frühling bis Herbst und hält nur an den Haltestellen in Pompeji und Herculaneum.
Reisen von Sorrent
Von Sorrent aus kannst du mit den Fähren von der Marina Piccola weitere Ziele entlang der Küste von Amalfi bereisen oder auf Capri landen, dieser Ausflug lohnt sich für einen Tagestrip. Ganz nah liegen auch die Inseln Ischia und Procida. Wer zum Vesuv möchte: Richtung Sorrent fahren, dann an der Haltestelle Ercolano Scavi aussteigen, von dort fahren Busse zum Fuße des Kraters des Vulkans. Für geführte Touren ab und um Sorrent, unter anderem eine Rundfahrt entlang der Amalfiküste (und in das allseits beliebte Positano), eine Tour über den Vesuv und Pompeji, Bootsausfüge nach Capri und der Blauen Grotte schaue doch mal bei Get your Guide vorbei.
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