Ich habe alles verloren: Die strahlende Reisegruppe vor der Llotja de la Seda, mein nachdenkliches Porträt dieser verschleierten Dame vor der Kathedrale von Valencia und auch die Reihe an kulinarischen Hochgenüssen wie Paella Valenciana, den Arroz al Horno, das riesige Glas leche merengada. Kein noch so winziges Foto ist übrig, denn meine Kamera hat den Absturz ins Wasser nicht überlebt. Ausgelöscht, verschwunden. Ich muss tief Luft holen und die Tränen zurückhalten, Panik überkommt mich. Was soll ich nur machen? Dann ganz plötzlich: Eine Eingebung, im Herzen von Valencia.*
Die alles entscheidende Frage ist doch: Würdest du auch an diesen Ort reisen, wenn keinen Beweis hättest, dass du jemals dort gewesen bist? Wenn du keine Fotos zeigen kannst, auf denen du fröhlich in die Kamera lächelst oder dich beim Essen einheimischer Köstlichkeiten zeigen? Wenn du allein durch deine Geschichte erzählen könntest, dass du auf diese Reise gegangen bist?Während ich über diese Frage nachdenke, wird mir klar, dass ich Valencia, diese zauberhafte Stadt in Spanien, doch mit allen Sinnen erlebt habe.
Ich erinnere mich genau daran, wie die Sonne mir ins Gesicht brennt, als ich vor der imposanten Konstruktion im spanischen Jugendstil des Mercado Central stehe. Es duftet nach scharfen Gewürzen, vor den Toren der mit einer Kuppel überdachten Halle kocht eine Gruppe Valencianerinnen in riesigen schwarzen Pfannen eine gelbe, cremige Paella, das traditionelle Reisgericht. Im Glas der Kuppel bricht sich das Sonnenlicht, hüllt die riesigen Auslagen an Obst und Gemüse in einen grellen Schein — die Farben leuchten hier noch viel intensiver als auf der Straße.Ich weiß genau, wie es sich anfühlt, durch die Gassen zwischen den über tausend Marktständen zu schlendern, mir einen frisch gepressten Orangensaft schmecken zu lassen und das schnelle, hektische, aber doch so melodische Spanisch anzuhören, von dem ich nicht viel verstehe.
Und wie könnte ich die Alte Seidenbörse vergessen, über die ich quasi zufällig durch eine der engen Gassen gestolpert bin, weil ich mich vor meinem Besuch gar nicht über Valencia erkundigt habe? Die massiven Mauern, der Turm, der ausladende Orangenbaum-Innenhof. Das von zwei Engeln getragene Wappen von Valencia an der Außenseite, das ich nur entdecke, weil ich eine Touristengruppe belausche und mich danach anbiete, sie alle miteinander zu fotografieren.
Wieder zu Hause in Deutschland kommen die Fragen: „Wo sind deine Fotos?“ „Was, du hast keine Bilder?“ „Wie, du kannst nicht zeigen, wo du warst?“
Doch, sage ich dann, ich kann. Denn ich habe in meinen Erinnerungen in Form von Geschichten gespeichert, was ich in dieser Stadt erlebt, gesehen, gefühlt, geschmeckt habe. Ich brauche keine Hochglanzfotos, um zu beweisen, dass ich Reisende bin. Mit niemandem muss ich mich messen.
Und heute? Lasse ich meine Kamera ganz bewusst öfter mal zu Hause, weil ich weiß: Echte Geschichten kannst du nie vollkommen in Bildern erzählen.*Alle Bilder aus diesem Blogpost stammen von einem Mitglied meiner Familie, das vor ein paar Monaten an denselben Orten in Valencia gewesen ist und die Stadt nach meinen Schilderungen erlebt hat. Danke!
Wissenswertes
Valencia liegt unweit von Madrid auf dem spanischen Festland.
Wer den Mercado Central im Herzen von Valencia besuchen will, kann zwischen 08.00 Uhr und 14.30 Uhr echten valencianischen Flair erleben. Im Gegensatz dazu ist auf dem Kolumbus-Markt, dem Mercado de Colón, zwischen 09.00 Uhr und 24.00 Uhr geöffnet, hier gibt es aber weniger Marktstände und mehr Restaurants, Bars und Cafés.
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